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DIE VERLORENEN KOLONIEN – Science Fiction-Fortsetzungsgeschichte (Teil 2) von Detlef Hedderich und Cameo Flush

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DIE VERLORENEN KOLONIEN

Science Fiction-Fortsetzungsgeschichte (Teil 2)

Von Detlef Hedderich und Cameo Flush

(Zum 1. Teil)
„Rashid-uk-sun an alle! Feuer für erste Laserlinie auf mein Kommando …“

Er hatte das Wort überdeutlich betont und damit bewusst auf den üblichen Beschuß durch Miniraketen verzichtet, denn diese hinterließen nur einen Haufen nach Fisch stinkenden Glibber, bei dem sich eine Untersuchung nicht lohnte. Dieses Mal wollte er endlich die eigene zahlenmäßige Überlegenheit nutzen, um die Octos – vorzugsweise tot, aber noch obduzierbar – in das Operationszentrum zu schaffen, damit die Ärzte und Xeno-Anthropologen brauchbares Material bekamen.

„Feuer in 5 … 4 … 3 … 2 … 1 … JETZT!“

Etwa neun oder zehn Laserstrahlen blitzten plötzlich auf und stachen durch die drei Octos hindurch wie ein heißes Messer durch Butter. Mindestens die Hälfte der Strahlen bewegte sich, da ihre Schützen ohne Stativ einen Vektor erzeugten, der die Ziele glatt durchsäbelte. Mit einem häßlichen Platschen fielen Teile der Getroffenen auf das nasse Ufergras. Ein Teil glitschte so mit Schwung herab, dass es ins Wasser glitt und versank. Rashid-uk-sun konnte trotz der hellen Strahlen erkennen, dass sich allerlei Kleingetier im Wasser sofort auf dieses Körperteil stürzte und um den unerwarteten Leckerbissen so heftig stritt, dass das Wasser zu schäumen schien.

Die Laserschützen stoppten fast unmittelbar ihren Beschuß, da jede Sekunde Dauerfeuer kostbare Energie verbrauchte.

„Laserschütze 4, Henry Moreau. Beschuß eingestellt.“

„Laserschütze 2, Soerenson. Laser offline.“

Die Meldungen kamen sowohl akustisch, als auch elektronisch herein. Als alle ihren Status abgegeben hatten, sagte Rashid-uk-sun: „OK, Jungs und Mädels, gestaffelt vorrücken! M-Raks in zwei Reihen folgen, die anderen bleiben, wo sie sind. Drei Sanitätseinheiten aufschließen!“

Er erhob sich und mußte seinen Augen den Befehl geben, nicht nach seinen Kameraden zu suchen, denn direkt sehen konnte er sie nicht. Nur auf seinem Visierdisplay tauchten mit einem Mal Dutzende von Punkte auf, die sich parallel zu ihm in Richtung der Getöteten aufmachten. Ein kurzer Kontrollblick verriet ihm, dass die Laser, M-Raks und Sanitäter sich an seinen Befehl hielten.

Er öffnete das Visier.

„Also, dann wollen wir mal. Packt das Zeug ein! Tarnung offline!“ Kaum hatte er den Satz beendet, fühlte er in seinem Magen ein leichtes Ziehen, das ihn in der Vergangenheit mehr als oft auf irgendeine Gefahr aufmerksam gemacht hatte. Doch alles blieb ruhig.

Nach weniger als 5 Minuten standen rund 50 Soldaten und Soldatinnen um Rashid-uk-sun herum und sicherten nach allen Seiten. Kurz danach schälten sich wie aus dem Nichts die Sanitäter hervor. Es war schon unheimlich, wie sich das Ufer mit Bewaffneten füllte. Das Einschalten der Tarnung erfolgte in Sekundenbruchteilen, da sich das Lichtwellen-Beugungsfeld schlagartig aufbaute, was zwar deutlich mehr Energie verbrauchte, aber in einer Kampf- oder Notsituation mehr als rechtfertigt war. Das Abschalten erfolgte Strom sparender, da man ja davon ausging, dass man es nicht sofort wieder brauchte. Und so sah es aus, als schütte jemand den Soldaten reinigendes Wasser über den getarnten Körper, der damit die Farben der Umgebung verlor. Rashid-uk-sun war immer noch von diesem Anblick fasziniert. Er verfolgte die Arbeit der Sanitäter und hielt trotzdem die Umgebung im Auge. Das Ziehen hatte sich wieder verloren.

„Captain Rashid? Sir?“ Eine der Soldatinnen blickte in seine Richtung, hatte ihn aber nur durch ihre Displayanzeige gefunden. Er hatte seine eigene Tarnung noch an. Rasch ging er damit offline.

„Entschuldigung … und danke Sonja.“ Sonja war zusammen mit ihm vor drei Jahren eingezogen worden. Er lächelte ihr zu und nahm gleichzeitig aus den Augenwinkeln Bewegungen wahr. Für eine Millisekunde stritt sein Gehirn darüber, ob dies eigene Einheiten oder etwas anderes war. Das Urteil fiel in die zweite Kategorie.

„ALARM!“, dröhnte sein Schrei und mischte sich mit dem Sonjas, die von einem armdicken Tentakel um die Brust gepackt worden war und der sich rasend schnell zusammenzog. Ihr Schrei ging in ein erstickendes Keuchen über. Sie hatte keine Kraft mehr in den Armen und ließ ihre Waffe fallen.

Verflucht noch mal! Ich sollte doch mehr auf meinen Bauch hören. Er schalt sich dafür, dass er sich einbildete, intelligenter als sein Instinkt zu sein.

Rahsid-uk-sun hieb auf die Camouflageaktivierung und gleichzeitig versuchte er Sonja nachzuhechten, die jetzt an das Ufer gezerrt wurde. Laserstrahlen und –impulse zischten rings um ihn und feuerten auf Gegner, die er gar nicht bewusst wahrnahm. Vereinzelt jagten Miniraketen ohne markierte Ziele heran und pfiffen ins Leere. Gerade als er glaubte Sonja packen zu können, geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Sonja wurde mit einem letzten Ruck unter die Wasseroberfläche gezogen und ihr Keuchen verging mit einem letzten Blubbern. Nur wenige Meter hinter ihr tauchten Dutzende große und Hunderte kleinerer Octos aus dem Wasser auf und begannen sofort, die Menschen unter Feuer zu nehmen. Und zu allem Überfluß fing es an, wie aus Eimern zu regnen. Innerhalb weniger Augenblicke verwandelte sich das ohnehin feuchte Ufer des Wasserlaufes in eine matschige und schleimige Hölle, die ihnen jeden Schritt zur Qual machte und unnötig Kraft abverlangte.

Und keine Helis in der Nähe! Stumm fluchte Rashid-uk-sun in sich hinein. Mit grimmigem Unterton spuckte er förmlich Worte in den wieder verschlossenen Helm.

„Captain Rashid-uk-sun an alle: Bilden Sie sofort einen gestaffelten Ring um die Sanis! Ich will diese drei Octos nach Hause bringen. Feuer frei für alle Waffen. Halten Sie sich nicht mit Gefallenen auf! Verletzte sind unter allen Umständen zu retten!“

Während er seine Befehle gesprochen hatte, war er in die Knie gegangen und hatte mit seinem Lasergewehr einzelne Impulse auf die nahesten Ziele abgefeuert. Die Strahlen wurden durch kleine Wölkchen zusätzlich sichtbar, als an ihnen die Regentropen verdampften. Er hatte schon früh die bittere Erfahrung gemacht, dass es zwar kurzfristig äußerst erfolgreich war, ein Lasergewehr oder –geschütz im Dauerfeuer den Feind beharken zu lassen, aber niemand konnte sagen, wie lange ein Gefecht dauerte. Und da die Energietornister nicht unendlich Speicherkapazität hatten und Laser ohnehin nicht als Angriffswaffe galten, hatte sich Einzelfeuer mit dieser Waffe mittelfristig für das Überleben als günstiger herausgestellt.

Und auch dieser Kampf bestätigte nur zu schnell diese Erkenntnis. Einige Jungspunde – was in der Regel Rekruten im Alter von 70 Jahren bedeutete – hatten ihre Laserwaffen wie Sensen eingesetzt und wähnten sich überlegen, da die Feinde reihenweise in das Wasser zurückplumpsten. Doch diejenigen, welche damit besonders fleißig waren, standen jetzt mit ausgeglühtem Lauf und leerem Tornister vor der zweiten Welle von Octos, die mit unverminderter Vehemenz auf die Menschen zustürmten. Einer nach dem anderen wurde von ihnen förmlich zwischen den Tentakeln zerrissen und hatte noch nicht einmal die Chance, die ohnehin für große Octos uneffektiven Handwaffen einzusetzen. Rashid beobachtete mit Grausen, wie Körperteile der Unglücklichen ihr Blut tropfend und von sich schleudernd durch die Luft gewirbelt wurden. Für den Bruchteil einer Sekunde schien die Zeit sich zu dehnen und er konnte Dutzende von Flugbahnen der ausgerissenen Extremitäten verfolgen. Die Raserei der Octos stand in Nichts dem Strahlengewitter der Menschen nach. Was würde eher abnehmen? Die Ladung der Energietornister oder die Anzahl der Tentakelwesen? Als ein halber Brustkorb mit häßlichem, nassem Platschen in den Matsch schlug, fand er sein Zeitgefühl wieder.

Mit Genugtuung registrierte Captain Rashid-uk-sun, dass sich der weitaus größte Teil seiner Leute an seine Befehle, wahrscheinlicher aber auch an ihre eigenen Erfahrungen hielten und mittlerweile drei dicht gedrängte Ringe um die verzweifelt arbeitenden Sanis bildeten. Je eher die zersäbelten Octos geborgen waren, desto eher würden auch sie in den Kampf eingreifen können.

Rashid-uk-sun konnte zwischen Rufen und Warnungen hindurch die ruhige Stimme eines Truppenfunkers hören. Nach dem näselndem Klang nach mußte es der Chinese sein. Bao Jie, wenn er sich recht erinnerte. Wenn die Operationszentrale nicht schlief, mußten in weniger als 10 Minuten die Truppenhelis eintreffen und sie aufnehmen. Solange mußten sie durchhalten, was keine unlösbare Aufgabe war, wenn sich die Zahl der Octos nicht dramatisch erhöhte.

Trotz des heftig anhaltenden Kampfgetümmels hatte sich die überraschte Stimmung und das Entsetzen über die zu beobachtbaren Gräuel in ein koordiniertes Gegenfeuer – und viel wichtiger – in eine undurchdringliche Gefechtslinie gewandelt. Mit fast stoischer Ruhe hielten er und seine Leute die Octos permanent auf Abstand, ja die Distanz zu deren Angriffslinie wurde sogar langsam aber stetig größer.

Wir haben es im Griff, dachte Rashid-uk-sun und schoß einem kleineren Octo mit einem Laserimpuls ein gestochen scharfes Loch zwischen den aufgerissenen Tintenfischschnabel. Als dieser im Wasser versank, sah Rashid-uk-sun, dass hinter dem kleineren auch ein großer getroffen worden war und nun mit sieben Sehschlitzen auskommen mußte.

Manchmal muß man auch Glück haben. Rashid-uk-sun nutzte die Sekunde der Verwirrung des großen Octos und jagte kurz hintereinander ein halbes Dutzend Impulse in den Schädel, der daraufhin zerplatzte. Auch er versank im brackigen Wasser.

Plötzlich waren nur noch kleine und kleinste Octos zu sehen, alle großen waren entweder getötet worden oder hatten sich zurückgezogen. Die immer noch unüberschaubare Schar der Verbliebenen setzte nun jedoch zu einem Sturmangriff an und warf sich den Reihen der Menschen mit Todesverachtung entgegen. Die Zählerstände der Waffenmagazine rasselten in einem beängstigenden Tempo Richtung Null und Rashid-uk-sun malte sich aus, dass die großen Octos genau dann wieder auftauchen würden, wenn sie alle ihr Pulver im wahrsten Sinne des Wortes verschossen hatten.

Gerade als sein Magazin tatsächlich leer war und er entnervt zu seinen beiden Handwaffen greifen wollte, ertönten am Himmel die dröhnenden Motoren und das mächtige Flattern der riesigen Truppenhelis. Deren Bordschützen setzten unverzüglich ihre bordeigenen Raketenwerfer ein, die um eine Dimension kräftiger konzipiert waren, als die mobilen Modelle der Infanterie.

Jubelschreie – darunter etliche deren Klangfärbung Erleichterung ausdrückten – erschallten und nur noch die äußerste Ringverteidigung mußte sich die letzten Octos vom Leibe halten. Es dauerte keine fünf Minuten und der letzte Feind lag zuckend am Boden. Sobald die Heliwerfer schwiegen, begannen die Bodeneinheiten augenblicklich jeden verwundeten Octo den Fangschuß zu geben.

„Captain Rashid, Sergeant Angelica Mortimer hier“, erklang es in Rashids Kopfhörer.

„Rashid-uk-sun hier. Herzlich willkommen, Sergeant. Uns ging gerade der Stoff aus. Schön, dass Sie es noch rechtzeitig geschafft haben unsere alten Ärsche zu retten.“ Er winkte dem Commander-Heli zu, Mortimer winkte zurück und sprang den letzten Meter herab. Sie lief ihm mit strahlendem Lächeln entgegen.

„Sieht recht ordentlich aus Ihr Plätzchen.“ Sie sah sich um und zog die Mundwinkel mit Abscheu nach unten, als sie die Schweinerei betrachtete. „Sie hatten gut zu tun.“

„Mehr als das, Madam“, antwortete er und spürte erst jetzt, wie sehr ihn der Kampf doch Kräfte gekostet hatte. Fast wäre er in die Knie gegangen, riß sich aber im letzten Moment zusammen. Er ließ sein ohnehin leer geschossenes Lasergewehr sinken und stützte sich schwer darauf.

„Wir sind nicht mehr die Jüngsten, Sergeant.“

„Aber die besten, die wir haben … Captain.“

„Vielleicht, wir geben uns Mühe.“

„Immerhin haben Sie geschafft, was schon manch anderer versucht hat: Sie haben drei äh …vollständige …“

„… mehr oder weniger …“

„… große Octos in unsere Hände gebracht. Die Ärzte sind schon ganz heiß auf die Viecher.“ Sie lächelte. „Und ich kenne eine Dame im OZ, die auf Sie recht heiß ist …“ Sie lächelte noch breiter.

„Oh, ja … ich weiß. Aber Mel wird sich gedulden müssen, bis ich mich erholt habe. Aber dann: gerne.“ Rashid-uk-sun grinste und machte sich auf den Weg zu seinem Heli.

KULTUR:
Menschlich:

im Alter von 70 Jahren werden Männer und Frauen zu Soldaten ausgebildet, soweit nicht schon vorher militärische Erfahrung vorhanden ist

PERSONEN:
Menschlich:

Bao Jie, Chinese, Funker
Hennessy, Patrick, General Dmitri´s Adjudant
Melanie, über 60 Jahre alt
Moreau, Henry, Laserschütze 4
Mortimer, Angelica, Sergeant
Rashid-uk-sun, Captain, ist 73 Jahre alt und gerade erst 3 Jahre bei den Kampftruppen; seine wenigen mechanischen „Erweiterungen“ (1.linke halbmechanische Stützhand, 2. Augenimplantate, 3. Ergänzungstermin steht noch nicht fest) entsprechen seinem niedrigen Rang, fast noch Rekrut.
Soerenson, Laserschütze 2
Sonja; im Kampf getötet
Vaschkolja, Dmitri, 81 Jahre alt, 3. General Methusalemtruppen, trägt Ceramstahl-Rückgrat

DER ABEND DANACH

Rashid-uk-sun lächelte still vor sich hin, als er an die vergangenen Stunden dachte. Melanie hatte ihn schon an der Rampe zum Helipark erwartet. Ruhig abwartend, mit einer etwas ängstlichen Haltung und scheinbar etwas scheu, aber sie war da. Während er an Bord blieb, bis seine gesamte Truppe die Helis verlassen hatte, beobachtete er die schlanke, brünette Frau aus der Sicherheit der verspiegelten Fenster. Sie war vielleicht knapp 1,70 Meter groß, an den richtigen Stellen gerundet und für ihr Alter von 60 Jahren topp in Form. Er spürte, dass sie nach seiner verstorbenen ersten Frau die richtige auf diesem Planeten für ihn war. Sie hatten sich vielleicht ein Dutzend Mal beiläufig gesehen, bis sie ihn richtig angesehen hatte. Nun ja, in ihrem Alter ist das so eine Sache mit der Liebe auf den ersten Blick. Danach kamen einige harmlose Treffen im Submarine-Cafe, im 3D-Sensual-Kino oder bei einfachen Spaziergängen im Terra-Park. Letzterer war ein beliebter Platz bei jungen und alten Pärchen, konnte man sich in ihm doch der Illusion hingeben, wieder auf Terra zu sein. Mittlerweile verschrieben die Psychoheinis gestreßten Kolonisten sogar den Besuch des Terra-Parks.

Als dann Rashid als Letzter von Bord ging, konnte sie sich nicht mehr beherrschen und lief ihm immer schneller entgegen. Ihr rascher Blick über seinen Körper verriet ihre innere Angst und nach einem kurzen stummen Seufzer schlang sie ihre Arme um ihn und küßte ihn das erste Mal. Sie hatten es eilig in sein Quartier zu kommen. Sie duschte einfach mit und dann …

Wieder grinste Rashid-uk-sun und sein Schritt wurde um eine weitere Spur federnder.

Es ist doch immer wieder erstaunlich, was so ein bißchen Sex für eine Wirkung auf einen haben kann.

Er bog um zwei weitere Ecken und hielt schnurstracks auf den Eingang zum Medi-Center zu. Den beiden Wachen am Eingang nickte er nur zu, schließlich kannte man ihn, nicht zuletzt wegen der neuesten Nachrichtensendung, in der seine Rolle – und sein Erfolg – nach seinem Geschmack ein wenig übertrieben dargestellt worden waren.

Das erste, was ihm seine gute Laune eintrübte, war ein zunehmend schärfer werdender Geruch nach altem Fisch und noch weiteren, für ihn undefinierbaren Dingen. Er durchschritt die Tür zum Beobachtungsraum des angrenzenden Autopsie-Saales und nickte den Anwesenden zu.

„Ich wußte gar nicht, dass diese Lounge undicht ist“, frotzelte er und erntete mitfühlende Blicke, einige mühsame Schmunzler und deutlich mehr grimmige Blicke.

„Sie sind der letzte, wir haben auf Sie gewartet“, grummelte Dmitri Vaschkolja, seines Zeichens 3. General der Methusalem-Truppen auf Swamp 3*. Er verzichtete auf weitere Kommentare, schließlich schätzte er Captain Rashid. Dieser salutierte ein wenig nachlässig und konnte fast den Blick nicht von dem 81-jährigen General abwenden. Vielmehr von dessen perfekter Körperhaltung. Rashid wußte, dass diese ihren Grund in dem Ceramstahl-Rückgrat hatte, welches sich der General bei den allerersten Schlachten auf Swamp verdient hatte.

„Tut mir Leid, General, ich wurde … aufgehalten.“ Nur mühsam konnte Rashid-uk-sun ein erneutes Grinsen unterdrücken. „Was hat denn unsere Top-Ärztin schon herausgefunden?“, versuchte er abzulenken und schob sich durch eine Lücke zwischen den Anwesenden an die Scheibe. Sein Blick fiel auf den Rücken von mindestens vier Ärzten und Assistenten, welche eine übergroße Liege verdeckten.

Vaschkolja wandte sich ebenfalls dem Geschehen im Operationssaal wieder zu. „Nun, Sie hat mit ihrem Team in den vergangenen Stunden zunächst mal die … äh … Puzzleteile dem richtigen Korpus zugeordnet. Einige ihre Leute haben scheinbar noch nichts von Laser-Punktfeuer gehört.“ Er warf Rashid einen milde verweisenden, aber nicht ernst gemeinten Blick zu.

„Ja, die 70er und 71er brauchen noch ein wenig Fronterfahrung, General.“

„Die werden Sie hoffentlich rasch bekommen, sonst lohnt es sich nicht, sie aufzurüsten.“

„Völlig Ihrer Meinung, Sir. Was nun Doktor Harapthra betrifft …“

Der General hob die Hand. „Einen Augenblick, Captain.“

Das Ärzteteam trat von der ersten Liege zurück und entfernte sich zu den beiden benachbarten, auf denen die beiden anderen Octos lagen. Nur Doktor Harapthra winkte kurz zur Beobachtungslounge und trat ein paar Schritte näher. Sie streifte ihre Haube und den Mundschutz zur Seite und blickte erst den General und danach Rashid-uk-sun an.

„Meine Herren … wir sind zwar längst noch nicht fertig, aber ich möchte Ihnen nicht zumuten, noch länger auf die … äh … vorläufigen Ergebnisse warten zu müssen.“ Sie strich eine Strähne ihres tiefschwarzen Haares hinter ihr linkes Ohr und wandte sich halb zur Liege um, an der sie zuvor gestanden hatte. „Diese drei Octos sind die ersten in dieser Form, die wir zwar schon oft gesehen, aber noch nie … äh … in Ruhe beobachten oder untersuchen konnten.“ Sie warf Rashid-uk-sun ein anerkennendes Lächeln durch die Scheibe zu.

„Die von Captain Rashid … äh … geborgenen Leichen unterscheiden sich erheblich von allen Octo-Typen, deren wir bisher habhaft wurden. Nicht nur die Körpergröße von annähernd drei Metern in aufgerichteter Haltung, sondern auch die Körperform selbst läßt für mich zwei Möglichkeiten erkennen: Zum Ersten, dass es sich bei diesen Exemplaren um eine eigene Spezies handelt, wofür einige offensichtliche Unterschiede der äußeren Körperschicht sprechen. Zum Zweiten, dass es sich um eine … äh … Mutation oder Metamorphose einer Vorform zur jetzigen Form handelt.“

General Dmitri stand zwar still, aber irgendwie hatte Rahsid-uk-sun das Gefühl, dass seinem Vorgesetzten der letzte Satz Unbehagen bereitete. Ihm selbst ging es nicht anders.

„Doktor Harapthra… wie kommen Sie zur Ansicht, es könnte sich um Mutationen handeln?“

„Nun, tatsächlich neige ich zu eben dieser Sichtweise, General …“

„Warum nicht einfach eine andere Art? Gewiß ist die Fauna auf Swamp genauso vielseitig wie auf Terra“, unterbrach er die Ärztin.

„Das wollte ich Ihnen gerade erläutern.“ Es war bekannt, dass die Inderin es nicht schätzte, unterbrochen zu werden. Allerdings konnte sie einem General nicht den Mund verbieten. Mit ein wenig säuerlicherem Tonfall sprach sie weiter. „Ich sagte eingangs, dass einige offensichtliche Merkmale für eine andere Art sprechen, die inneren Organe, Muskel- und Nervensysteme meiner Ansicht nach aber bekannten kleineren Octoformen zu ähnlich sind, als dass man dies ignorieren könnte. Auch wenn ich jetzt der detaillierten Untersuchung vorgreife, habe ich den Mut zu behaupten, dass diese drei …“ Sie deutete mit einem Daumen hinter sich auf die Gruppe der anderen Mediziner, welche weiterhin an den Leichen arbeiteten. „… zu einer … äh … höheren Form der gleichen Spezies gehören. Allein ihre Gehirne sind an der Basis fast identisch mit der Octo-Type 4B. Verzeihen Sie diese lapidare Laborbezeichnung; wir wollten vermeiden, dass ein irgendwie formulierter Name 4B eine unzutreffende Eigenschaft zuteilt, welche nicht der Tatsache entspricht. Nun, diese drei – ich würde für sie die neue Kategorie 5A einführen wollen – besitzen ein kleines Basishirn, welche am ehesten mit unserem Stammhirn vergleichbar wäre. Auf diesem schließt sich ein deutlich größeres an, was zwar ein wenig kleiner als unser Gehirn ist, aber das sagt nichts über die Leistungsfähigkeit aus.“

„Nun, diese Viecher …“, warf Patrick Hennessy, General Dmitri´s Adjudant, ein.

„Es sind keine Tiere!“

„… diese Octos …“, verbesserte er sich. „… müssen ja intelligent sein, sonst könnten sie nicht so gezielte Aktionen wie heute organisieren.“

Rashid-uk-sun sah sich angesprochen. „Das war in jedem Fall eine geplante Aktion. Fast wäre die Falle zugeschnappt. Meiner Meinung nach ist es sogar möglich, dass sich diese drei dafür geopfert haben. Vielleicht ist es so wie bei irdischen Ratten: Einige wenige – entbehrliche – opfern sich für eine größere Gruppe.“

General Dmitri sah ihn eine Sekunde stumm in die Augen und nickte dann. „Vielleicht …“

„Sogar mehr als wahrscheinlich“, nahm die Doktorin den Faden wieder auf. „Ich habe Ihnen noch nicht gezeigt, was für mich hundertprozentig beweißt, dass 5A intelligent ist.“ Sie hatte die ganze Zeit über eine Hand hinter ihrem Rücken verborgen und holte diese nun langsam nach vorn. Unmittelbar vor der Beobachtungsscheibe mit Sprechanlage war ein breiter Sims angebracht, auf der eine große sterile Silberschale lag.

Doktor Harapthra legte ein längliches, mit Octoblut und Sekret verschmiertes Teil darin ab. Alle Blicke hefteten sich darauf wie von einem Magneten angezogen. Niemand sagte ein Wort. Nur ein verhaltenes Schnaufen von jemandem war zu hören, danach nichts mehr.

In der Schale war ein etwa Unterarm langes, in der Mitte durch ein Kugelgelenk geknicktes Implantat zu sehen, dass zwar chromglänzend, aber in seiner Oberfläche rauh war. An einem Ende war eine Ausfaserung in viele, fadendünne Glieder zu erkennen. An den meisten der Gliederspitzen waren chipähnliche Bauteile angebracht. Man konnte es deutlich sehen, obwohl jedes elektronische Element von einer Art glasklarer Gallertmasse ummantelt war.

Doktor Harapthra nahm eine Stablampe und richtete einen eng fokussierten Lichtstrahl auf einen der Chips. Sofort fing das Bauteil in einem schnellen, aber exakt wirkenden Rhythmus zu pulsen an. Sie nahm das Licht zur Seite und das Pulsen erlosch.

„Ich vermute, dass es sich um einen Ersatz für einen verlorenen Skelettbestandteil handelt, sehr ähnlich unseren eigenen Implantaten. Natürlich werden wir es noch genauer erforschen müssen, aber ich möchte schon jetzt behaupten, dass die Octos eine hoch entwickelte Medizintechnik auf Nanobasis besitzen. Und wer so etwas hat …“

„… der kann noch ganz andere Dinge.“ Wieder hatte Patrick Hennessy die Ärztin unterbrochen, doch diesmal strafte sie ihn nicht mit Blicken …

FORTSETZUNG OFFEN!

1* Doppelsternsystem, bestehend aus Twilight Yellow, manchmal auch nur Yellow genannte Sonne A (größer, gelb strahlend) und Twilight Blue, oft auch nur Blue genannte Sonne B (kleiner, blau strahlend).

2** Friendly Fire: In fast allen Kriegen kam und kommt es zur – ungewollten – Beschießung von eigenen Einheiten an der Front durch Einheiten hinter der Frontlinie. Die Waffengattung Lasergewehr/Miniaturraketen hat dieses Problem durch die Lasermarkierung gelöst.

3*** Swamp: Bezeichnung des zweiten Planeten des Twilight-Systems, kolonisiert im Jahre 2.435 n.Chr.

Copyright © 2009/2015 by Detlef Hedderich und Cameo Flush

Bildrechte: “Eingangsgrafik” (MONSTER GREIFEN AN.jpg) © 2013 by Lothar Bauer. Nutzung mit freundlicher Genehmigung des Künstlers unter Nennung seiner Webseite: http://saargau-arts.de/

Bildrechte: DIE FRÜHEN FÄLLE DER MILENA HIMIKO KOMORE” (milena-antho-cover.jpg) © 2013 by Lothar Bauer. Nutzung mit freundlicher Genehmigung des Künstlers unter Nennung seiner Webseite: http://saargau-arts.de/

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Gewicht:  676 g
ISBN-10:  395630070X
ISBN-13:  9783956300707

Beschreibung
Ein interstellarer Raumkreuzer wird auf einem Routineflug im Hyperraum durch einen unbekannten quantengravitativen Effekt aus der Milchstraße in die Magellanschen Wolken geschleudert. Die Crew materialisiert in einem Versuchssektor, wo eine sehr hoch entwickelte vernunftbegabte Spezies mit der Evolution und ihren Mechanismen experimentiert. Das Schiff zeigt Funktionsausfälle, doch die Astronauten können mit zwei Raumgleitern auf einem Planeten notlanden und werden dabei getrennt. Bei ihrer gegenseitigen Suche werden sie mit den Abläufen und Resultaten der Evolutionsversuche konfrontiert. Sie stoßen dabei auf erstaunliche Erscheinungen, gestrandete fremde Raumfahrer und eine heimische intelligente Spezies. Ihre Ankunft und der Kampf um das Überleben auf dem Planeten Terra nullius beeinflusst aber auch das Experiment nachhaltig, so dass es zu Störungen und unerwarteten Entwicklungen in dessen Steuerung kommt. Schließlich greifen die übermächtigen Schöpfer des Experimentes in das Szenario ein und bestimmen das Schicksal der gestrandeten Astronauten.

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